Wickeltaschen, Avocados & Co.: Das sind die 12 größten „First World Problems“ - WELT (2024)

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Wussten Sie, dass sich immer mehr Menschen beim Schneiden von Avocados ernsthafte Verletzungen zuziehen? Dass der Wegfall von Parkgebühren durch die Einführung des selbstfahrenden Autos unsere Städte in den finanziellen Ruin treiben könnte? Dass bald nicht mehr klar sein dürfte, was wir überhaupt noch posten können, da auf Instagram neuerdings alles als Werbung gilt? Sogenannte „First World Problems“ fühlen sich nicht zwangsläufig weniger existenziell an als die vermeintlich „wirklich großen Probleme“ dieser Welt.

1. Die Avocado-Hand

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Bei Menschen, die sich gern zeitgemäß ernähren, ist die Avocado sehr beliebt. Sie ist gesund, macht schneller satt als die meisten anderen Veggie-Lebensmittel und sieht auf Instagram hübsch aus – hellgrüner Matsch unter einem pochierten Ei ist eine tolle Farbkombination. Unglücklicherweise kommt die Avocado in einer recht zähen Schale daher und verbirgt in ihrem Inneren einen fiesen Kern. Das überfordert viele. Seit geraumer Zeit berichten Unfallchirurgen von einem fast epidemischen Anstieg schwerer Schnitt- und Stichverletzungen bei Hipstern, die mit ihrem Messer am Kern abglitten und die Hand durchbohrten, die die Avocado hielt. Selbst Jamie Oliver, der für seine 15- und 30-Minuten-Menüs bekanntlich recht ruppig kocht, warnte schon vor der „Avocado-Hand“.

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2. Personalmangel durch Hyper-Gentrifizierung

In San Francisco leben so viele Menschen, die im nahen Silicon Valley so gut verdienen, dass in den letzten Jahren die Mieten ins Unermessliche gestiegen sind. Mittlerweile kann man selbst mit einem sechsstelligen Jahreseinkommen um Wohnbeihilfe ansuchen. Ein unschöner Effekt dieser Entwicklung: In der Stadt herrscht akute Kellnerknappheit. Jene, die die Besserverdiener bedienen könnten, sind weggezogen, weil sie sich das Leben in San Francisco nicht mehr leisten konnten. Deswegen gehen immer mehr Restaurants dazu über, die Arbeit, die bisher das Personal erledigt hat, an ihre Gäste zu delegieren. Sie müssen sich beispielsweise ihr Besteck selbst holen oder ihr Gourmet-Essen am Tresen holen. Dumm gelaufen.

3. Jeans im Sommer I

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Dass Menschen Geld für Hosen ausgeben, in die schon bei der Herstellung Schlitze, Risse und Löcher gemacht wurden, ist kein neues Phänomen. Doch immer noch zu wenig beachtet wird der Umstand, dass Ripped Jeans bösartige Sonnenbrände verursachen können. Fotos von Betroffenen zeigen feuerrote Streifen auf weißem Fleisch und sehen aus, als wären sie nach missglückten SM-Sitzungen aufgenommen worden. Man könnte vor dem Anziehen zwar die Oberschenkel und Knie mit Sonnencreme bespachteln, aber darauf verzichten viele: Schließlich trägt man ja Jeans.

4. Einander ansehen

Nichts mehr im zwischenmenschlichen Umgang ist so harmlos und unschuldig, dass man es nicht problematisieren könnte. Jemandem die Tür aufhalten? Könnte als entmündigend empfunden werden. Komplimente? Nur dann sicher, wenn sie der Intelligenz gelten. Auch das bloße Hinsehen gilt mittlerweile als potenziell aggressive Handlung, die zum Anlass einer Belästigungsklage oder eines Hashtag-Sturms werden könnte. Wie will man rechtfertigen, dass man jemanden ansieht, der nicht angesehen werden will? Wie kann man beweisen, dass man dabei nichts (und ganz sicher nichts Verwerfliches) gedacht hat? So ist man bei Netflix dazu übergegangen, bei Schulungen über den belästigungsfreien Umgang am Arbeitsplatz den Mitarbeitern eine eherne Regel einzuschärfen: Du darfst Kolleg*innen unter keinen Umständen länger als 1, 2, 3, 4, 5 Sekunden ansehen. Fünf. Das muss reichen.

5. Unmännliche Wickeltaschen

Glücklicherweise sind immer mehr Männer dazu bereit, sich um ihre Kinder schon in einem Alter zu kümmern, in denen sie ihnen noch nicht die Fallstricke von Dublin III erklären können. Unglücklicherweise tun sie das in einer Welt, die ihre partnerschaftlichen Anstrengungen nicht ausreichend honoriert. So sind die auf dem Markt erhältlichen Wickeltaschen fast durchwegs für eine weibliche Klientel gestaltet: minimalistische Funktionalität, uninteressante Farben, die zu Mutti-Klamotten passen. Hilft nicht wirklich dabei, Väter auf dem Spielplatz cool aussehen zu lassen. Aber es gibt ein wenig Hoffnung. Verständnisvolle Unternehmen wie Diaper Dude oder HighSpeedDaddy stellen Wickeltaschen in Designs her, die ihre Träger nicht emaskulieren – mit Totenkopf-Prints oder in militärischen Tarnfarben.

6. Sexistische p*rnos

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Wahrscheinlich hat es keinen Sinn mehr, darüber zu klagen, dass heute junge Frauen und Männer nicht mehr von Eltern und Lehrern aufgeklärt werden, sondern von barrierefrei zugänglichen Internet-p*rnos, in denen MILFs Fließbandfellati* betreiben und grottenhässliche Männer im Takt einer Nähmaschine nadeln.

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Eines aber kann man tun: bessere p*rnos herstellen, aus denen Unterwerfung, Geschlechterrollenklischees, Gewalttätigkeit und dergleichen mehr eliminiert sind, in denen zugestrapste Frauen über postkoloniale Literatur reden und Männer nicht nur ihre Erektionen zücken, sondern auch ihren Geist. Oder so ähnlich. Die Berliner SPD findet, dass solche von Sexismus befreiten Filme staatlich gefördert werden sollten. Finden wir gut, würden wir gern sehen. Allerdings nicht ganz so gern wie die Doku über die p*rnoförderungskommissionssitzungen.

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7. Wir haben schon alles gegessen

Ausnahmslos jede Küche dieser Welt ist bereits entdeckt worden. Foodies wissen, dass Äthiopien eine eigenständige Lasagne-Tradition hat und wie sensationell die Moose aus den Wäldern Norwegens schmecken. Und sobald etwas Neues erfunden wird, ist es zehn Minuten später in allen Supermärkten dieser Welt zu finden, zuletzt der Cronut, jene Kreuzung aus Croissant und Donut, eben noch eine Sensation in New York, kurz danach bei Edeka an der Backstation. Für Menschen mit Distinktionsbedürfnis ist das katastrophal. Gerade hat man ihnen den letzten Fleck auf der Foodie-Landkarte genommen: Der „New Yorker“ berichtete in einer sehr langen Reportage über ein Restaurant mit dem schönen Namen „Koks“ auf den Färöer-Inseln, in dem man rohes, fermentiertes Lamm oder frittierte Rentierflechten bekommt. Jetzt wollen da alle hin.

8. Das Auto der Zukunft wird die Städte ruinieren

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Selbstfahrende Autos sind eine grandiose Erfindung, behaupten von ihren eigenen Visionen berauschte Stadtplaner: Der Verkehr fließt, statt sich zu stauen, niemand muss mehr nach Parkplätzen suchen, für die Menschen gibt es deutlich mehr Platz, weil die Karren ja ständig in Bewegung sind, statt irgendwo darauf zu warten, bis ihre Besitzer Feierabend haben.

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Das 199-Meter-Problem der deutschen Autobahn

Das Problem dabei: Exakt diese lichte Zukunft könnte die Städte, in denen sie stattfindet, in den Ruin treiben. Schließlich finanzieren sie ihre Infrastrukturen auch mit Knöllchen-Gebühren, Steuern für private Autos und dergleichen mehr.

9. Jeans im Sommer II

Jeans sind wahnsinnig toll. Nur im Sommer nicht. Im Sommer schwitzt man in ihnen, der dicke Denimstoff reibt die Oberschenkel blutig, wir wollen das Elend, das jede Jeansträgerin kennt, hier nicht gründlich ausführen. Ein Sommerkleid ist nicht immer die Lösung, weil es keine Taschen hat, möglicherweise zu floral rüberkommt und eben keine Jeans ist. Doch es gibt Abhilfe. Man reduziert die Jeans auf das, was an ihr wirklich wichtig ist, die Taschen, die Säume und Nähte – und trägt sogenannte „Invisible Jeans“. Sieht einerseits hochgradig bescheuert aus, aber anderseits auch kühn avantgardistisch.

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10. E-Zigaretten für Kinder

E-Zigaretten waren bis vor Kurzem eine vernünftige Erfindung. Sie ermöglichten Rauchern eine Art warmen Entzug, weil sie immer noch saugen und Rauch emittieren konnten, nur nicht so giftig und karzinogen wie beim traditionellen Stoff. Dann brachte ein kalifornisches Start-up eine Marke namens Juul auf den Markt, stylish gestaltet, erschwinglich, ziemlich abgefahrene Geschmacksrichtungen wie „Crème Brulée“ oder „Fruity Fun Cereal“, und in kürzester Zeit hingen unfassbar viele Kinder, darunter auch 12- und 14-Jährige, an dem Produkt – das ironischerweise so heißt wie Jesper Juul, der Lieblingspädagoge aller modernen Helikoptereltern.

11. Überkommene Schließtechnologien

Immer noch muss man Häuser und Wohnungen mit altmodischen Schlüsseln ver- und entriegeln. In einer Zeit, in der man Autos per Fernbedienung öffnen kann, ist das nicht mehr hinnehmbar. Denn es ist nicht nur total mühsam, er ist auch hochgradig energie- und zeitraubend. Was könnte man in den 30 Sekunden, in denen man nach seinem Schlüssel nestelt, nicht alles machen? Und warum sollte man sich seine Hosen ausbeulen lassen? Immerhin gibt es ein wenig Hoffnung. Eine Reihe von Start-ups nimmt sich des nervigen Problems an und entwickelt Lösungen, durch Fernsteuerung Türen zu öffnen, während man ihn sich ihnen nähert, in den fortgeschritteneren Varianten, ohne selbst etwas zu machen, weil das Schloss seinen Besitzer „erkennt“. Soll auch bei Stromausfällen funktionieren.

12. Alles ist jetzt Werbung

Seit geraumer Zeit gibt es „Influencer“ – Menschen, deren Arbeit darin besteht, sich von Marken einkleiden und ausrüsten zu lassen, um dann auf ihren sozialen Netzen total freiwillig und authentisch durchzugeben, wie toll dieses Shampoo oder jenes Luxushotel ist. Es ist eine Welt, die Menschen jenseits der 30 nicht wirklich einleuchtet, aber sie ist groß und wichtig, eröffnet sie doch auch jungen Frauen ohne Ausbildung eine Chance, Geld zu verdienen, ohne ihren Körper verkaufen zu müssen. Doch nun wird eben diese Welt durch das hartherzige Urteil eines Berliner Richters gefährdet: Der hatte einer Influencerin auferlegt, jede Marken-Nennung in ihren Posts als Werbung zu kennzeichnen, selbst wenn gar kein Geld geflossen ist. Seitdem findet man auf vielen Instagram-Postings deutscher Influencer sperrige Wendungen wie „Anzeige, da Markenerkennung“ oder „[Werbung] #unbezahlt“. Und muss sich fragen, ob man in Texten eigentlich noch Porsches oder sonstige Waren erwähnen darf, weil schon ihre Erwähnung verkaufsfördernd sein könnte. Aber das ist ganz sicher nur ein First-World-Problem.

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Author: Patricia Veum II

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